Was tun bei Abmahnung?

Sicher nicht der erste Artikel eines Anwaltes, der sich an die armen Abgemahnten wendet und ihnen Ratschläge gibt, wie es weitergehen soll. Dieser Beitrag geht davon aus, dass Selbsthilfe meist ausreicht.

Plötzlich ist die Abmahnung da (Download, Weitergabe eines Films, eines Musikstückes) und irritiert stellt der Empfänger fest, es ist kein Gerücht, es gibt sie wirklich. Eine kurze Recherche zeigt, die Verfasser sind bestens bekannt. Beschäftigen sich vermutlich mit nichts anderem.
Gefordert wird die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die zur Rücksendung beigefügt ist. Ferner Zahlung von Anwaltskosten und Lizenzgebühren, häufig in einem Pauschalbetrag zusammengefasst. Angedroht wird ein Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung. Was nun?

Bereits die Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, lässt sich möglicherweise nicht eindeutig beantworten. Das eigene W-Lan ist abgesichert, aber im Mai war noch der Austauschstudent X da und dann ist da noch die beste Freundin der Mitbewohnerin, usw. Es könnte also sein.

(Der Abmahnung ist vielleicht ein Auszug aus einem Gerichtsbeschluss beigefügt, der sich auf die Herausgabe von Zugangsdaten gegenüber einem Provider richtet. Grundsätzlich ist der Anschlussinhaber für alles, was über den Anschluss geschieht verantwortlich, zuletzt einschränkend zur Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder der Bundesgerichtshof.)

Kann der angeblich Verletzte den behaupteten Sachverhalt nachweisen?
Dieser Frage soll hier nicht nachgegangen werden.

Am einfachsten ist folgendes:

Erklärung, zur Vermeidung einer juristische Auseinandersetzung werde man 1. das konkrete Verletzungsverhalten in Zukunft unterlassen und 2. für den Fall der Zuwiderhandlung eine angemessene Vertragsstrafe zahlen. Unterschrift. Fertig.

In der geforderten, vorformulierten Unterlassungserklärung ist häufig eine bestimmte Vertragsstrafe ausgewiesen, z.B. 3.000,- EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung. Dieser Betrag ist meistens zu hoch, mit Rücksendung der vorformulierten Erklärung kommt aber über diesen Betrag ein wirksamer Vertrag zustande. Daher sollte für den Fall der Fälle die Formulierung lauten: „verpflichtet sich der Unterlassungsschuldner gegenüber dem Unterlassungsgläubiger für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe. Die Höhe der Vertragsstrafe wird vom Unterlassungsgläubiger nach billigem Ermessen bestimmt und kann im Streitfall gerichtlich überprüft werden.“

Mit Abgabe dieser strafbewehrten Unterlassungserklärung ist das sogenannte Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beseitigt.

Der Gläubiger macht neben dem nun befriedigten Unterlassungsanspruch aber auch noch Ansprüche auf Erstattung der sogenannten Rechtsverfolgungskosten, sprich: Anwaltskosten, und Schadensersatz wegen entgangener Lizenzgebühren geltend.

Diese Kosten, meist ein Betrag von knapp 1.000,- EUR, sind der Treibstoff, der die Maschine in Gang hält.

Als Empfänger der Abmahnung und nun schon Verfasser einer Unterlassungserklärung haben Sie einen beträchtlichen Widerwillen, diese Kosten zu zahlen. Ihr Widerwille speist sich vielleicht aus der Unkenntnis darüber, ob überhaupt eine Urheberrechtsverletzung über Ihren Anschluss begangen wurde, siehe oben, oder Sie wollen nicht einsehen, dass der Rechteinhaber der Unterhaltungsindustrie nur den Künstler schützen möchte, dessen Werk Sie gedankenverloren im Feierabendstau stehend hören.

Neben diesen rein subjektiven Gründen, die Kosten nicht zu zahlen, gibt es aber auch eine Reihe von juristischen Gründen, die es unwahrscheinlich machen, dass die Kosten tatsächlich gerichtlich gegen Sie durchgesetzt werden.

Dies sind folgende:

Gerichtsstand für die Kostenansprüche ist das Wohnsitzgericht des Beklagten. Die Höhe der Forderung begründet die Zuständigkeit des Amtsgerichts. Dies hat für den Kläger den Nachteil, dass er sich nicht auf die Rechtsprechung einer spezialisierten Kammer verlassen kann, sondern die Einzelentscheidung des Richters/der Richterin bei einem der 656 Amtsgerichte erwarten muss.
Er kann sich nicht an sein Hausgericht wenden, sondern muss entweder reisen oder einen Unterbevollmächtigten beauftragen. Dies ist bei einem Gebührenvolumen von netto 212,50 EUR (berechnet auf einem Streitwert von 1.000,- EUR) eine unwirtschaftliche Unternehmung.

Inhaltlich können weitere Probleme entstehen: Die Begehung der Urheberrechtsverletzung muss nachgewiesen werden, die Kostenansprüche sind nur Folgeansprüche. Die einzuklagenden Anwaltskosten sind auf einem Gegenstandswert berechnet, der geschätzt wurde. Dieser Schätzung muss ein Gericht nicht folgen. Für die Lizenzgebühren gilt dasselbe.

Erheblich wahrscheinlicher als ein Gerichtsverfahren ist daher, dass eine schon erprobte Abfolge von zeitlich gestaffelten Erinnerungs- und Drohschreiben bei Ihnen eingeht, um Ihnen das immer näher rückende Verhängnis eines Gerichtsverfahrens anzukündigen.
Hier benötigen Sie zwei auch sonst hilfreiche Eigenschaften: Gelassenheit und Geduld.


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